High End Matcha: Handgepflückt, selbst verarbeitet und selbst gemahlen

Eine der vier überdachten Teegartenparzellen des Traditionsbetriebs Nakanishi
Eine der vier überdachten Teegartenparzellen des Traditionsbetriebs Nakanishi

Jeder, der schon einmal in Kyoto oder Uji unterwegs war, hat sicherlich bemerkt, dass die alte Hauptstadt gewissermaßen auch als „Hauptstadt des Matcha“ bezeichnet werden kann: An fast jeder Straßenecke, ja sogar im Bahnhof, findet man unzählige Läden, die Matcha und daraus hergestellte Speisen und Getränke anbieten. In aller Regel stammt der dort angepriesene Matcha von den großen Marken, die auch im Ausland schon einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt haben. Jedoch, einen eigenen Teegarten haben diese großen Firmen nicht selten nur noch zu Anschauungszwecken, und kaufen Tencha (die Blätter für Matcha, vor dem Mahlen) von anderen Gärten und Vertragspartnern aus ganz Japan zu, den sie dann vermahlen und geblendet als „Matcha aus Uji“ verkaufen. In vielen Fällen wird dabei die Arbeit zwischen mehreren beteiligten Unternehmen aufgeteilt. So gibt es nicht wenige konventionelle Gärten, die entweder selbst Tencha herstellen, oder manchmal auch nur ernten und die rohen Blätter an eine Tencha-Fabrik liefern. Die Tencha-Hersteller liefern wiederum an ihre Kunden, die dann aus dem Tencha den fertigen Matcha mahlen. Bei manchen Firmen sind allerdings auch beide Schritte internalisiert. Unter welcher Marke der Tee dann am Ende verkauft wird, ist natürlich nochmal eine ganz andere Frage. Ein und dieselbe Qualität wird dann häufig unter verschiedensten Labels in den Läden angeboten.

Der Familienbetrieb Nakanishi stellt daher eine einzigartige Ausnahme dar: Der komplett beschattete Teegarten besteht lediglich aus vier kleinen Parzellen. Die gesamte Fläche beläuft sich auf gerade einmal 1,2 Hektar, was verschwindend klein im Vergleich zu „normalen“ Teegärten ist. Der auf Matcha spezialisierte Teegarten von Familie Nakanishi ist damit der kleinste Teegarten, den wir je kennengelernt haben.

Herr Nakanishi in seiner winzigen Tencha-Fabrik
Herr Nakanishi in seiner winzigen Tencha-Fabrik

Sowohl die vier winzigen Teegartenparzellen als auch die Verarbeitung befinden sich bei Nakanishi auf engstem Raum: Die komplett beschatteten Parzellen finden sich nur ein paar Gehminuten Minuten entfernt vom kleinen Gebäude, in dem die Tencha-Verarbeitung stattfindet. Der winzige Raum wiederum, in dem lediglich zwei Steinmühlen stehen, mit denen Nakanishi seinen Tencha zu Matcha vermahlt, sind nur drei Häuser entfernt auf der anderen Straßenseite. Sowohl die Tencha-Verarbeitung, also auch die Matcha-Steinmühlen wiederum sind nur eine Minute zu Fuß vom Wohnhaus entfernt. Das kleine Kühllager, in dem Nakanishi nur den Matcha lagert, der letztlich unter seinem Namen verkauft wird, befindet direkt bei den beiden Steinmühlen. Die Tatsache, dass Herr Nakanishi pro Jahr nur 50kg Matcha selbst mahlt und unter seinem Namen verkauft, veranschaulicht nicht nur wie klein der Familienbetrieb tatsächlich ist, sondern zeigt auch auf, wie rar Matcha von Nakanishi ist, und wie aufwendig es ist handgepflückten Matcha herzustellen und wirklich traditionell zu verarbeiten.

In der Tat, sogar das Separieren der weichen Blattteile von den Blattvenen, findet bei den Top Matcha-Qualitäten von Nakanishi in Handarbeit mit einem alten, aus Bambus geflochtenen Sieb statt. Von einer derartige Widmung für jeden Verarbeitungsschritt und den daraus hervorgehenden High End Matcha-Qualitäten können die großen Firmen nur träumen, denn eine größere Menge Matcha lässt sich unmöglich auf eine solch aufwändige Weise per Handarbeit herstellen. Dass Familie Nakanishi ihren Teegarten zudem ausschließlich biologisch bewirtschaftet, stellt die Vollendung der 100% traditionellen Produktion auf absolut höchstem Niveau dar.

Die alten Holzbalken der Tencha-Fabrik von Familie Nakanishi
Die alten Holzbalken der Tencha-Fabrik von Familie Nakanishi

Bunyomon gründete den Teegarten vor über 250 Jahren in der Edo-Zeit. Während früher bei Nakanishi sowohl Matcha als auch Gyokuro hergestellt wurde, hat sich der Traditionsbetrieb nach dem zweiten Weltkrieg auf die Herstellung von Tencha für Matcha spezialisiert, der explizit an den hohen Ansprüchen der berühmten Teezeremonie-Strömungen ausgerichtet ist. Gyokuro stellt der Bio-zertifizierte Traditionsbetrieb Nakanishi nur noch in geringer Menge für Freunde und Bekannte her, weshalb der Gyokuro von Nakanishi nur in seltensten Fällen im Handel zu finden ist. Für den Gyokuro verwendet Nakanishi nur eigenes Blattgut der edelsten Strauchsorten, die sonst nur für die eigenen High End Matcha-Sorten verwendet werden. Die Verarbeitung des Gyokuro findet jedoch im Gegensatz zum Matcha nicht auf den eigenen Verarbeitungsanlagen von Nakanishi statt, da diese ausschließlich auf die Herstellung von Tencha und das Mahlen von Tencha zu Matcha ausgelegt sind. Für den Gyokuro weicht Nakanishi daher auf die Verarbeitungsanlage eines befreundeten Gyokuro-Teegartens aus.

Wie oben bereits erwähnt, hat Familie Nakanishi auf engstem Raum alle Anlagen, die man für die professionelle Tencha-Herstellung braucht. Yoshinori Nakanishi führt uns durch das kleine, hölzerne Fabrikgebäude, das noch vor dem zweiten Weltkrieg errichtet wurde. Dabei erklärt uns Yoshinori den gesamten Verarbeitungsprozess vom rohen Teeblatt über den Tencha-Aracha bis zum fertigen Matcha. Für seine feinsten Qualitäten, wie zum Beispiel den Takeno Jôô Matcha, den wir seit letztem Jahr in Deutschland anbieten dürfen, setzt Yoshinori bei allen Schritten, bei denen dies möglich ist und es der Qualität zu Gute kommt, auf Handarbeit. Dies fängt bereits im Teegarten an, denn für die High End Matcha-Qualitäten, die auch von den Teelehrern für die japanische Teezeremonie verwendet werden, erntet Herr Nakanishi zusammen mit 30 Helfern, die zum Teil aus der Gegend stammen und zum Teil auch eigens für die Ernte anreisen, mit der Hand. Die Gärten sind dafür speziell angelegt, so dass mit Maschinen kaum geerntet werden könnte.

Ein kleiner Einblick, der einen nur selten gewährt wird, ist das Innere des Tencha-Ofens
Ein kleiner Einblick, der einen nur selten gewährt wird, ist das Innere des Tencha-Ofens

Etwa vier bis fünf Wochen vor der Ernte wird der Teegarten komplett mit dunklen, grobmaschigen Netzen überdacht und umringt. Etwa zwei Wochen vor der Ernte wird zusätzlich eine zweite Schicht aus dunklen Netzen etwas tiefer über die Büsche gespannt, jedoch nicht direkt an den Büschen angebracht, so dass diese hoch wachsen können. Dies dient natürlich zum einen der Beschattung, zum anderen ergibt sich im Inneren dieser „Häuser“ aus dunklen Netzen ein feucht-warmes Mikroklima, das den Geschmack der Teeblätter maßgeblich mit beeinflusst. Die Teebüsche sind hier zwar auch in Reihen gepflanzt, werden jedoch hoch wachsen gelassen. Da dieses stark beschattete Anbauverfahren zwar Matcha mit wirklich perfekten geschmacklichen Nuancen hervorbringt, aber für die Pflanzen aufgrund des stark reduzierten Lichteinfalls extrem anstrengend ist, wird nur einmal im Jahr geerntet – Anfang Mai. Danach werden die Teesträucher komplett heruntergeschnitten. Übers Jahr können sich die Pflanzen dann unter natürlichen Bedingungen, also ohne Beschattung, erholen. Die Triebe, die nach dem Runterschnitt nachwachsen, verholzen über den Winter. An den Blattansätzen jedoch entwickeln sich im Frühjahr die neuen Triebe, die dann ausschließlich per Hand geerntet werden können. Die jungen, zart grünen Blätter, die für den Matcha gepflückt werden, befinden sich also zwischen den älteren Blättern, und müssen einzeln gepflückt werden. Eine Maschinen-Ernte für High End Matcha-Qualitäten wäre daher bei diesem Anbauverfahren, das ausschließlich für Matcha und Gyokuro gedacht ist, undenkbar.

Wie bereits Erwähnung fand, entwickelt sich in dem hier beschriebenen überdachten Anbauverfahren, bei dem ringsum Netze angebracht werden, ein ganz eigenes feuchtwarmes Mikro-Klima. Dieses hat nicht nur auf die Stärke des Lichteinfalls einen immensen Einfluss, sondern auch einen wichtigen Einfluss auf die Blattstärke und damit auch auf die geschmackliche Qualität der Blätter und des daraus hergestellten Tees. Wer etwas gärtnerische Erfahrung hat, dem wird schnell klar, dass dies zugleich ideale Bedingungen für Insekten sind. Während dies im konventionellen Tee-Betrieb, der auf Pestizide zurückgreift, keine besondere Herausforderung darstellen würde, ist der Einsatz dieser Mittel für Herrn Nakanishi keine Option. Bereits sein Vater setzte sich dafür ein, den Teegarten des Familienbetriebs Nakanishi schrittweise auf ökologischen Anbau umzustellen, und auch sein Sohn, Yoshinori Nakanishi ist 100% vom Bio-Anbau überzeugt.

Nakanishi Matcha Bio TeesträucherDa man beim Matcha die zermahlenen Blätter mittrinkt, also nicht wie beim Sencha nur einen Auszug zu sich nimmt, spielt es gesundheitlich für Teetrinker eine viel größere Rolle, ob der Tee ökologisch angebaut wurde, oder konventionell unter Einsatz von Pestiziden hergestellt wurde. Im Jahr 1980 begann der Traditionsbetrieb Nakanishi mit dem ökologischen Teeanbau für die Herstellung von Tencha. Seit einigen Jahren sind nun alle vier Teegartenparzellen von Nakanishi Bio-zertifiziert. Um die Insekten von den zarten Blatttrieben fern zu halten, setzt Yoshinori Nakanishi für seinen ökologischen Anbau Insektenfallen ein, und arbeitet zudem mit Geruchsabschreckung. Dafür stellt er selbst einen Auszug aus Kräutern her, vermengt diesen mit Kokosöl und verbreitet die Mischung im Teegarten. Selbstverständlich kümmert sich Yoshinori darum, dass die selbst hergestellte Mischung nicht auf die Teesträucher gelangt, da dies dem Wohlgeschmack der edlen Matcha-Sorten nicht zuträglich wäre. Die Idee, mit Hilfe des Geruchs der selbst hergestellten Mischung die Insekten zu vertreiben, funktioniert in den meisten Fällen sehr gut. Natürlich gibt es auch von Jahr zu Jahr einige Teesträucher, die von Insekten heimgesucht werden, was dann selbstverständlich eine gewisse Einbuße der Erntemenge mit sich bringt. Dies gehört beim ökologischen Anbau aber dazu, so dass Yoshinori Nakanishi sich dieser Herausforderung jedes Jahr aufs Neue bewusst stellt. Einen anderen High End Matcha-Teegarten, der per Hand pflückt, und 100% biologisch anbaut, gibt es nach Kenntnis von Herrn Nakanishi nicht. Die Methoden des ökologischen Anbaus funktionieren oftmals gut, wenn sie mit einer tiefen Widmung für den Anbau einhergehen, doch bedeuten sie immens viel Arbeit. Eine Herausforderung, die nur wenige bereit sind anzunehmen, besonders dann, wenn es um Spitzen-Qualitäten geht.

Das Bambussieb, von dem nur noch einige wenige Exemplare existieren, ist sozusagen ein Relikt aus alter Zeit, auf das soweit wir gehört haben, nur noch Nakanishi zurückgreift.
Das Bambussieb, von dem nur noch einige wenige Exemplare existieren, ist sozusagen ein Relikt aus alter Zeit, auf das soweit wir gehört haben, nur noch Nakanishi zurückgreift.

Wie bereits erwähnt, verwendet Yoshinori für die Trennung zwischen den weichen Bestandteilen der Blätter und den Blattrippen ein spezielles Bambussieb, das viel Handarbeit erfordert. Lediglich bei den einfacheren Matcha-Qualitäten, kommt anstelle des Bambussiebs eine kleine Maschine zum Einsatz. Bambussiebe zum Zerkleinern, als Vorbereitung zum anschließenden Separieren der weichen Blattbestandteile von den Blattrippen werden heutzutage so gut wie nicht mehr verwendet – es kann also gut sein, dass dies nur noch im Betrieb der Familie Nakanishi der Fall ist. Zudem existiert auf ganz Honshu keine Werkstatt mehr, die derartige Bambussiebe noch herstellt. Herr Nakanishi vermutet jedoch, dass es möglicherweise auf Kyushu noch jemanden geben könnte, der über das notwendige handwerkliche Wissen verfügt, die exzellent gefertigten und zudem sehr teuren Bambussiebe herzustellen. Yoshinori Nakanishi behandelt die wenigen Bambussiebe, die im Betrieb vorhanden sind, daher wie einen Schatz. Geschmacklich wirkt sich die Sortierung per Hand mit Hilfe der Bambussiebe sehr positiv aus, da die Blätter einem deutlich geringeren Druck und weniger Hitze ausgesetzt sind, als bei maschineller Verarbeitung. Zudem ist es dem Geschmack des Matcha umso zuträglicher, da die Blätter so nicht mit Metall, sondern nur mit dem Bambus in Berührung kommen.